Work in Progress

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WORK IN PROGRESS

 18.03.2015 von U.R.Gardner

 

„Du hast bereits deine erste Beurteilung bei Amazon“, sagte mein Bruder.

Ich war begeistert. „Toll. Wie ist sie. Ist sie gut?“ Ich hatte ihn vorhin angerufen, und nach kurzem Geplauder hatte ich ihm betont beiläufig mitgeteilt, dass ich heute einen Roman bei Amazon veröffentlicht hatte. Er hatte sich sofort sein Tablet geholt.

Jetzt sagte mein Bruder. „Einen Stern hast du. Ich glaube, das ist nicht so gut. Einen von fünf Sternen.“ Ich musste das Handy fest ans Ohr pressen, um seine Worte verstehen zu können, denn vom Nebentisch krachte eine Lachsalve zu mir herüber. “Genau genommen ist es das Mieseste, was man kriegen kann.“ Dann las er mir die Kritik vor. „… stellt sich das Inhaltsverzeichnis noch normal dar, besteht das restliche Buch aus einer einzigen Zeile senkrecht untereinandergeschriebener Buchstaben … Fazit: Geschenkt ist noch zu teuer. Vom Kauf wird dringend abgeraten!!!!“

Eben noch hatte ich mich über die strahlende Nachmittagssonne gefreut, jetzt hatte ich mit einem Mal das Gefühl, als ob sich die Welt um mich herum verdunkelte. Ich hatte so hart darauf hingearbeitet, dieses Buch zu veröffentlichen – und jetzt? Sah so ein Gewinner aus? Ich war am Boden zerstört.

Den Nachmittag konnte ich vergessen. Ich war hierher ans Wasser gefahren, um mich zu erholen und den Abschluss der Arbeit zu feiern. Da gab es jetzt nichts mehr zu feiern. Jetzt musste ich sofort zurück nach Hause, zurück an meinen PC, um zu retten, was noch zu retten war. Wenn überhaupt noch was zu retten war. Seit heute lief zu allem Überfluss auch noch eine Gratisaktion, um für das Buch zu werben. So eine Riesenscheiße aber auch …!

Oben auf dem ersten Foto sieht man eine Straße, die umsäumt vom Grün der Bäume schnurgerade auf ein Ziel zuführt. Ich liebe dieses Bild. Genauso schnurgerade hatte ich sie mir vorgestellt: meine Straße zum Erfolg! Die Realität sah leider anders aus. Lange nicht so schön.

Mir war ein Formatierungsfehler unterlaufen. Das kommt davon, wenn man alles allein machen möchte. Es war wirklich so, wie mein Bruder es mir vorgelesen hatte: man sah auf den Seiten des Readers nur einzelne Buchstaben in einer geraden Reihe untereinander. Ein Albtraum! Wie hatte mir das nur passieren können? Einerlei, jetzt war sowieso alles zu spät. Die normative Kraft des Faktischen nennt man sowas wohl.

Der Verkauf wurde sofort eingestellt, und es dauerte nicht lange, bis Amazon den Fehler gefunden hatte. Ich hatte ihn dann schnell behoben. Die Seitenränder waren falsch eingestellt gewesen. Dabei hatte ich alles genauso gemacht, wie in den verschiedenen How To-Büchern beschrieben. Nur leider, leider hatte ich, der ich nicht gerade das größte technische Genie bin, eine der Anweisungen ganz offensichtlich missverstanden und falsch umgesetzt. Ich nahm das als ein verdammt schlechtes Omen für mein Buch. Mein Schiff war schon untergegangen, noch bevor es den schützenden Hafen überhaupt verlassen hatte. Es gab dann noch eine 2. 1-Stern- Rezi. „… größte Frechheit, die ich je heruntergeladen habe…“ Hier war sogar von vorsätzlichem Betrug die Rede. Und beklagt wurde in beiden Fällen, dass es keine Leseprobe gegeben hätte. Darauf hatte ich als Autor aber nun wirklich keinen Einfluss. Streng genommen handelte es sich hier um einen rein technischen Fehler, der mit dem Inhalt des Buches nicht das Geringste zu tun hatte. Und nur auf den sollte sich eine Kritik doch eigentlich beziehen. Aber nicht so bei Amazon – und deshalb blieben mir die 2 beschissenen 1-Stern-Kritiken erhalten. Mein Einstand in der wundervollen E-Book-Welt hätte katastrophaler nicht ausfallen können. Verwunderlich eigentlich, dass das überhaupt hatte passieren können, da Amazon immer betont, dass das hochgeladene Material vor dem Veröffentlichen genau geprüft wird. Da hätten die das doch merken müssen. Übrigens, der eine Kritiker, der von Betrug gesprochen hatte, hat sich später bei mir entschuldigt, nachdem er sich das inzwischen einwandfrei formatierte Buch neu heruntergeladen hatte, und gab mir im Nachhinein 5 Sterne. Nur nützten die mir dann auch nichts mehr.

Hiermit entschuldige ich mich ausdrücklich bei Amina, bei Mme Koeber, bei Heyde, auch bei Brigitte, natürlich bei Werner und beim Alten, Rolf Stahl, und all den anderen, nicht zuletzt bei Rante Kleinknecht, dessen Weg ins Leben ich nachgezeichnet habe. Und wenn ich schon dabei bin – ja, ich entschuldige mich auch bei mir als Autor, dass ich als Verleger und Marketingexperte in eigener Sache eine ziemliche Null gewesen bin. Warum soll ich es nicht zugeben? Von Werbung und Marketing hatte ich schlicht keine Ahnung.

Das erste Cover, Der Nordpol ist eine heimelige Gegend, gehörte zu dem Buch mit der missglückten Formatierung. Alle diese Cover stellen eine kleine Auswahl von zahllosen Entwürfen dar. Der Typ in der 2. Reihe, das ist natürlich kein Cover sondern zeigt mich, und zwar müsste ich da ungefähr im selben Alter gewesen sein wie mein Protagonist Rante Kleinknecht im Roman. Ein Alter, in dem der Himmel der Möglichkeiten noch weit und die Zukunft offen ist. Ich habe es da hingestellt, um die letzten 3 Cover von den anderen zu separieren. Die wurden wichtig, nachdem ich mich – gar nicht abergläubisch, haha – entschlossen hatte, den Nordpol –Titel aufzugeben. Mein Buch hieß fortan: Paradise to go, und zwar sowohl in der englischen als auch in der deutschen Ausgabe (untere Reihe, li). Die Cover waren identisch bis auf das Wörtchen „Roman“ bei der deutschen und das „a novel“ bei der engl. Version. Das machte aber auch nicht froh, denn die Cover waren verflucht leicht zu verwechseln und wurden es auch ein paarmal. Also entschloss ich mich, den deutschen Titel auszukoppeln und zum ursprünglichen Arbeitstitel zurückzukehren: Die Zärtlichkeit des Geldes. Seit dem 14. Mai 2014 ist die deutsche Version in einer überarbeiteten Fassung unter diesem Titel auf dem Markt. (Gedanken zum Titel: DIE ZÄRTLICHKEIT DES GELDES – http://udorobingardner.com/?p=555) Das Cover der engl. Ausgabe wurde ebenfalls noch mal überarbeitet (untere Reihe, Mitte)

Inzwischen ist mir der Konjunktiv ein guter Freund geworden. Ich weiß mittlerweile, was ich alles hätte tun müssen, um mein Buch einigermaßen vernünftig zu bewerben. Und zwar, bevor ich es auf den Markt brachte. Unverzichtbar die Social Media, eine eigene Website, ein eigener Blog … All das hatte ich natürlich nicht, als ich anfing. Doch ich habe mich enorm verbessert. Jetzt bin ich auf der Suche nach meiner Nische und operiere mit Begriffen wie target audience und target marketing (John Locke lässt grüßen). Ich habe mich sehr mit Werbung beschäftigt und viele Ratgeber gelesen bis hin zu dem Titel: Buchmarketing ist tot. Eine der schlimmsten Publikationen, die ich bislang in Händen hielt. Wahrscheinlich eine der netten automatischen Übersetzungen. Rechtschreibung und Grammatik und Verständlichkeit unter aller Sau. Vielen der Publikationen merkt man an, dass sie eilig zusammengeschustert wurden. Aber ich will nicht alles schlecht machen. Ich habe in den Ratgebern auch viel Wissenswertes und Informatives gefunden, und manches hat mir tatsächlich auch geholfen.

Doch all das zu lesen und sich damit zu beschäftigen kostet Zeit, viel Zeit – in derselben Zeit hätte ich gut und gerne einen neuen Roman schreiben können, vielleicht sogar auch 2. Stattdessen habe ich von meinem 2. Buch erst etwa die Hälfte geschafft, so um die 200 Seiten.

Ob das alles tatsächlich etwas bringt? Und lässt sich im Nachhinein korrigieren, was am Anfang schiefgelaufen ist? Ich werde es herausfinden. Bis jetzt habe ich jedenfalls noch nicht aufgegeben. Und bevor mich eine Depression dahinrafft oder ich mich vielleicht sogar als Loser empfinde, ist da immer auch ein Gedanke da, der mich tröstet. Alles das ist doch nur das äußere Drum und Dran, im eigentlichen Zentrum sollte immer noch das Buch an sich stehen, mein Roman. Und auf den bin ich stolz, und insofern sehe ich mich auch als Gewinner. Denn ich habe genau das Buch geschrieben, das ich immer schreiben wollte.

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Sollte sie es wissen?

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Manchmal mag ich schon gar keine Nachrichten mehr sehen, ich weiß sowieso schon, was kommt: nur Katastrophen! Die Welt wankt erschöpft von Krise zu Krise, und das Rad der Schreckensmeldungen scheint sich immer schneller zu drehen. Wie kann ich mich als kleiner Statist des Weltgeschehens gegen diese Bilderflut des Grauens wehren? Emotional auf die Reihe kriegen kann ich das alles ohnehin schon längst nicht mehr. Bevor mir noch schwindlig wird, bleibt die Glotze deshalb immer öfter aus.

Aber der Rückzug ins Private macht auch nicht unbedingt fröhlicher. Denn was die Menschen schon im Großen nicht hinbekommen, in der Politik, funktioniert im Kleinen in der Regel auch nicht besser – in den Beziehungen von Mensch zu Mensch, von Familie zu Familie, von Freunden zu Freunden, von Fremden zu Fremden.

Unter jedem Dach gibt es ein Ach! Mit diesem Satz kommentierte meine Schwester einmal auf ihre ganz eigene nüchterne Art eine nicht ganz jugendfreie Posse, die sich in einer schönen Villa in Heidelbergs bester Gegend abgespielt hatte. Feine Leute, bei denen es zuging wie bei Hempels … Seitdem begleitet mich dieser Satz mit dem Ach durchs Leben. Und ob’s mir nun passt oder nicht, er hat sich eigentlich immer als richtig erwiesen. War die Oberfläche auch noch so glanzvoll poliert und eindrucksvoll, der Blick dahinter hielt dem ersten Eindruck eigentlich nie stand.  Gegen Krankheit kann man nicht viel machen (außer vorbeugend möglichst gesund zu leben), und materielle Not ist schlimm. Aber was sich die Menschen, davon mal abgesehen, selbstverschuldet alles antun, denen es doch sonst viel besser gehen könnte, das ist schon bemerkenswert. Ich muss hier eigentlich gar keine Beispiele nennen, ich glaube, die kennt jeder auch aus eigener Anschauung. Die Stichworte hierzu heißen Gier, Eifersucht, Neid, Missgunst, Eitelkeit, Machtspielchen, Egoismus bis zum Abwinken, Egozentrik … Bleibt als letzte Hoffnung nur noch die Liebe. Ach, was wäre das Leben ohne Liebe. Seufz!! Doch Vorsicht: Gerade die Liebe ist ein ganz besonderer Tummelplatz des Wahnsinns!

Manchmal bin ich das Chaos richtig leid und sehne mich nach einfachen, klaren, ehrlichen und überschaubaren Verhältnissen. Und ich denke mir: Soll das denn ewig so weitergehen, lernen die Menschen denn nie dazu? Bisher hat der alte Mann mit dem Rauschebart da oben im Himmel die Dinge ganz schön treiben lassen (mal vorausgesetzt, er ist kein Zyniker). Wäre es nicht endlich einmal an der Zeit, für Ordnung zu sorgen und durchzugreifen? Kann er denn nicht endlich mal ein Einsehen haben mit uns armen Menschlein, die die Dinge selbst nicht in den Griff bekommen, das sieht er ja selbst, und dem Guten, dem Reinen und Schönen eine Chance geben, so ganz ohne Hintergedanken? Wer sonst könnte das, wenn nicht er?

Für uns Geschichtenerzähler wäre das zwar gar nicht so gut. Denn wenn alle Menschen glücklich wären, gäbe es kaum noch was zu schreiben. Nur noch diesen einen Satz vielleicht: Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage …  Aber wenn diese ferne Utopie sich tatsächlich verwirklichen ließe, dann, ja dann würde ich es nur zu gern bei diesem einen Satz belassen.

Bis dahin aber geht es weiter drunter und drüber. So auch in meiner kleinen Geschichte, die in Wien spielt. Sie endet mit einem großen Fragezeichen. Welche Antwort würde ich bevorzugen, was hielte ich für richtig? Ich weiß es nicht.

Vielleicht habt Ihr ja eine Idee …

 

SOLLTE SIE ES WISSEN?

 

Irgendwann hatte sie in der tiefsten und schwärzesten Verzweiflung in der Ferne einen dünnen Lichtstrahl wahrgenommen, der sich langsam näherte, um wieder Hoffnung und Wärme in ihr Leben zu bringen. Damals, nachdem es passiert war, hatte sie sich die Seele aus dem Leib geschrien, hatte halb wahnsinnig vor Leid mit den Fäusten auf die Erde getrommelt. So lange hatte sie geschrien, bis nichts mehr kam als ein heiseres Krächzen, das ihr die Kehle verbrannte, um dann in einem kläglichen Wimmern zu ersterben. Und ihr ganzer Körper war nur noch ein einziger, in sich gekrümmter Klumpen Schmerz.

Was Maria erlebt hatte, war mehr, als ein Mensch ertragen kann!

Dabei hatte dieser Tag, der ihr Leben so komplett aus den Angeln heben sollte, ganz normal begonnen. Der ganz normale tägliche Wahnsinn halt, den eine junge Mutter stemmen musste, die neben ihrer kleinen Tochter auch noch ein männliches Riesenbaby an den Hacken hatte und daneben noch versuchte, obwohl sie mit den beiden weiß Gott schon mehr als genug ausgelastet war, sich eine berufliche Perspektive aufzubauen.

Wie immer die morgendliche Hetze, um Emilia in den Kindergarten zu bringen, danach die Klausur in der Uni, die voll in die Hose gegangen wäre, wenn sie es nicht doch noch irgendwie geschafft hätte, ihre Wut auf Wolfgang zu verdrängen, der zuhause seinen Rausch ausschlief. Schauerlich! Wie sie an den nur hatte geraten können…? Ihr Hirn, auf dessen Output sie sich doch sonst immer so viel einbildete, musste in der entscheidenden Kennenlernphase auf Sendepause umgeschaltet haben, anders war das, was folgte, nicht zu entschuldigen. Und dieser Scheißkerl schien sich nur deshalb in ihrem Leben eingenistet zu haben, um ihr eine unerträgliche Last zu sein und sie ganz tierisch zu nerven.

Aber dieser Scheißkerl war Emilias Vater!

Wenn es nach Maria gegangen wäre, hätte sie ihn schon längst in den Orbit geschossen; sollte er sich doch in der Erdumlaufbahn vergnügen, Hauptsache, möglichst weit weg von ihr. Aber leider, leider ging es nicht nur nach ihr. Denn da war ihre Kleine, die ihren Papi geradezu abgöttisch liebte. Nicht übertrieben: Sie liebte diesen Bastard mit einer Zärtlichkeit und Innigkeit, so wie ein kleines Mädchen mit aller Inbrunst überhaupt nur lieben kann. Für sie war ihr Papi das schönste, klügste, erfolgreichste Wesen auf diesem Planeten – der personifizierte Superlativ!

Dieser Versager, dieser Hurenbock, dieser elendige Lügner und Betrüger, dieser … ach, Maria fehlten einfach die Worte, um diesem menschlichen Abfalleimer gerecht zu werden. Fakt war jedenfalls, der Kerl war ein Totalausfall und ließ sie völlig im Stich – in allem.

Nachdem sie Emilia vom Kindergarten abgeholt hatte, nahmen sie die Stadtbahn hinaus zur Kennedybrücke, um von dort mit der Straßenbahn weiter nach Mauer zu fahren. Sie würden die nächsten Tage bei ihren Eltern wohnen. Ganz anders als gewöhnlich hatte sie sich diesmal gegen Emilias empörten Protest rigoros durchgesetzt. Sie brauchte einfach mal eine Auszeit von diesem Typen. Und damit basta!

Und genau das hatte sie geradewegs in die Katastrophe geführt. Das würde sie ihm niemals vergeben. Und sich selbst auch nicht!

Massenschlägerei auf der Kennedybrücke“ lautete der Aufmacher im Nacht-Kurier. “Zahlreiche Fußballfans waren in die Schlägerei verwickelt. Sie befanden sich auf dem Weg nach Perchtoldsdorf zum Heurigen, um ihre Mannschaft zu feiern. Es gab zahlreiche, zum Teil schwer Verletzte …“

Ihre kleine zarte Emilia, ihr Goldengelchen gehörte dazu. Was sich da auf der Brücke genau abgespielt hatte, bekam sie später nur noch bruchstückhaft zusammen, entsetzliche Bilder, die aus dem Dunkel in ihrem Kopf kaleidoskopisch aufblitzten: die Menschenmenge auf dem Platz zwischen dem Bahnhofsgebäude und den Haltestellen der Straßenbahnen, hin und her wogend, das Brüllen und Kämpfen wütender Menschen, einige Besoffene, die ihre Flaschen schwangen, Frauen, die vor Angst schrien… sie versuchte sich mit ihrem Kind am Rand der Menge vorbeizudrücken, nur weg von hier … als diese auf einmal herüberschwappte und sie sich plötzlich mittendrin befanden … Panik … Sie wurden geschoben und gestoßen, hin und her, ein Riese von Mann, an dem mehrere andere Männer hingen, die auf ihn einschlugen, begann zu schwanken, befand sich bedrohlich über Emilia. Sie versuchte noch verzweifelt, sich nach vorn zu werfen, um ihr Kind an sich zu reißen und zu schützen, wurde aber im selben Augenblick von jemandem nach hinten gezogen und umgeworfen. Und der große Kerl mitsamt der Meute verlor endgültig sein Gleichgewicht und brach, wild mit den Armen rudernd, über Emilia zusammen. Wo war ihr Kind? Hysterisch rief sie nach Emilia …

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der sie zappelte und wild um sich trat, merkte sie, wie sie befreit wurde, wie die Menschen über ihr und um sie herum weggeschoben oder hochgehoben wurden und dann, als sie sich verwirrt umschaute, sah sie ihr Kind. Es lag da, bewegungslos, ihr kleiner Engel rührte sich nicht, sah in seinem roten Mäntelchen aus wie schlafend. Aber was war das? Da war Blut auf dem Mund, hellroter Schaum …. Neben ihr kniete ein Mann am Boden, der in ein Handy sprach. Und dann wusste sie nur noch, wie alles in ihr zu schreien begann, so laut, dass es in ihren eigenen Ohren widerhallte …

Polizei war da, ein Krankenwagen, Sanitäter kümmerten sich um ihr Kind, da war wohl auch ein Arzt, der Maria eine Beruhigungsspritze verpasste. Und immer noch der Mann, der nun hilflos zusah, wie man sich um das kleine blonde Mädchen bemühte. Maria erinnerte sich schemenhaft, dass er es gewesen war, der sie unter all diesen Menschen hervorgezogen hatte und der auch Emilia unter dem Menschenberg ausgegraben hatte. Mit Bärenkräften, als wären sie Puppen, hatte er die Menschen einfach zur Seite geschaufelt.

So hielt Mark Conradi Einzug in ihrem Leben. Wann immer sie in der Klinik bei ihrer Kleinen war – er wartete draußen vor der Tür des Krankenzimmers. Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Sie sagte ihm, dass er verschwinden solle. Auch ihre Eltern wollte sie nicht sehen, obwohl sie es ihnen nicht gänzlich verbieten konnte, ihr Enkelkind zu besuchen, und schon gar nicht diesen Scheiß-Wolfgang, ohne den diese Tragödie niemals stattgefunden hätte. Nein, sie wollte und konnte nicht mit der Außenwelt kommunizieren, mit niemandem, zu erschüttert war sie bis in ihr tiefstes Inneres. Aber Mark ließ sich nicht abwimmeln, war einfach nur da und wartete. Als der liebe Gott ihren kleinen Engel zu sich geholt hatte und sie sich endlich losreißen konnte, nachdem sie den kleinen Körper noch lange in ihren Armen gewiegt und Emilias liebes Gesichtchen gestreichelt und geküsst hatte, war es Mark, der sie auffing, als sie auf dem Krankenhausflur zusammenbrach. Man wollte sie über Nacht dabehalten, erst als Mark versprach, sich um sie zu kümmern, war man bereit, sie nach Hause zu entlassen. Doch bevor sie ging, wollte sie ihr Kind noch einmal sehen. Diesmal durfte Mark mit ins Zimmer, das er auf Zehenspitzen betrat, als hätte er Angst, das Kind, das wie ein schlafendes Engelchen auf dem Bett aufgebahrt lag, aufzuwecken. Maria spürte, wie sich ihr Körper schon wieder würgend zusammenzog und sie dabei war, ihre mühsam bewahrte Fassung zu verlieren, als sie durch ein dunkles, qualvolles Stöhnen abgelenkt wurde. Irritiert blickte sie zu Mark hinüber, von dem das Stöhnen kam, und was sie sah, ließ sie für einen Augenblick den eigenen Schmerz vergessen. Er zitterte am ganzen Körper, als hätte er Schüttelfrost, und seine Zähne schlugen aufeinander, dabei war sein Gesicht schneeweiß und Schweiß perlte auf seiner Stirn, auch über der Oberlippe. Und aus seinen Augen quollen Tränen, die in Strömen über seine Wangen hinabliefen. Dieser Anblick seines fassungslosen Schmerzes berührte sie tief, wenngleich er für sie auch etwas merkwürdig Beunruhigendes hatte. Aber das gestand sie sich erst sehr viel später ein, und zwar, als sich Emilias Todestag zum ersten Mal jährte. Doch zunächst einmal empfand sie in diesem Moment hauptsächlich ein Gefühl großer emotionaler Nähe zu Mark, welches sie selbst überraschte und sie wie ein wärmendes Licht empfand, das in die Dunkelheit ihrer Seele leuchtete.

Es dauerte Monate, bis sie wieder so etwas wie Rudimente ihres einstigen Lebenswillens wiederfand. Ohne Mark hätte sie diese Zeit nicht überlebt, da war sie sich ganz sicher. Sie weinte viel und war oft zu schwach, tagsüber das Bett zu verlassen, dafür fand sie nachts keinen Schlaf und wünschte sich verzweifelt zu sterben. Mit sicherem Instinkt ließ er sie allein, wenn sie es brauchte, und war zur Stelle, noch bevor sie denken konnte: wo er nur bleibt? Und wenn er nicht mehr kommt -? Er kaufte Lebensmittel ein, er kochte für sie, ein paarmal putzte er ihr sogar die Zähne und legte ihr frische Sachen zum Anziehen raus. Und er fuhr sie zum Döblinger Friedhof, wann immer sie zu ihrem Kind wollte. In der Anfangszeit trug er sie sogar die 3 Stockwerke zu ihrer Wohnung hinauf und auch von dort wieder runter, wenn sie selbst zu schwach war, das aus eigener Kraft zu schaffen.

Nach wie vor wollte sie sonst niemanden sehen und ließ niemanden an sich heran. Sie wollte nicht getröstet und schon gar nicht abgelenkt werden von ihrer Trauer, die sie wie ein schützender Kokon umhüllte und die Welt außen vor hielt. Mit der war sie sowieso fertig. Restlos! Obwohl sie wusste, dass es ungerecht war, hegte sie einen tiefen Groll gegen ihre Eltern, allein schon aus dem Grund, weil sie sie in diese schreckliche Welt gesetzt hatten, wo sie so viel zu erleiden hatte. Ihre Eltern waren durch ihr ablehnendes und gereiztes Verhalten verletzt und tief verstört. Sie konnten nicht verstehen, dass ein fremder junger Mann für ihre Tochter das leisten durfte, was sie als ihre ureigenste Aufgabe betrachteten. Eine Familie muss schließlich in der Not zusammenhalten! Aber Maria empfand Mark nicht als fremd, obwohl sie ihn doch überhaupt nicht kannte. Seine stille Anwesenheit gab ihr vielmehr Halt in ihrem Schmerz, irgendeinen letzten Halt, der sie vor dem totalen Absturz bewahrte. Vielleicht war er ja auch so etwas wie ein Engel, gesandt vom lieben Gott, um ihr in ihrer Not beizustehen. Aber warum hatte Gott ihr dann ihren kleinen Goldengel überhaupt erst weggenommen? Das ergab doch keinerlei Sinn. In hilflosem Zorn führte sie fast schon routinemäßig ihr Taschentuch an die Augen, obwohl diese längst leergeweint waren. Lieber Gott, was hast du dir dabei gedacht, kannst du mir das mal sagen?

Dass es mit ihr wieder aufwärts ging, erkannte sie daran, dass sich etwas in ihrer Wahrnehmung verändert hatte. Wann fiel ihr zum ersten Mal auf, dass ihr Engel ein Mann war, und nicht nur das, sondern auch noch ein verdammt attraktiver obendrein? Und auf diese Erkenntnis folgte dann gleich der nächste Schock, als sie nach so langer Zeit ihr Spiegelbild wieder bewusster betrachtete. Sie wäre fast umgefallen vor Entsetzen. Grundgütiger, wie sah sie denn aus?

Auch Mark fiel auf, dass sich etwas in ihrem Verhalten verändert hatte. Ihr Blick bekam manchmal einen versonnenen Glanz, wenn sie ihn ansah, doch es dauerte noch einige Zeit, bis sie sich traute, ihn direkt darauf anzusprechen, was ihr auf der Seele lag. Sie hatte Angst vor seiner Antwort, als sie ihn fragte: „Warum hast du eigentlich so viel Zeit. Musst du denn nicht arbeiten?“

Mark konnte sie beruhigen, denn nichts wäre für sie schlimmer gewesen, als schon wieder an so einen Tunichtgut wie ihren Ex geraten zu sein. Von nun an ging es ihr mit jedem Tag besser, und nachdem sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten, fühlte sie sich fast schon wie neu geboren. Heftig schnaufend und schweißnass lagen sie noch halb aufeinander, spürten den abebbenden Wogen der Lust nach, denen ein kreatürliches Behagen und wohliges Erschlaffen folgten. So intensiv hatte sie ihren Orgasmus überhaupt noch nie erlebt. Mark hatte sie buchstäblich  ins Leben zurückgebumst.

Habe ich schon erwähnt, dass Mark Schauspieler war? Am Theater in der Josefstadt. Ein gutes Haus mit eher mickrigem Gagenniveau, aber dafür musste Mark auch nicht allzu viel arbeiten. Zurzeit befand er sich sowieso zwischen 2 Stücken und hatte keine Proben, nur ab und zu mal eine Vorstellung. So hatte er wenigstens genug Zeit für Maria. Zunächst war es sein schlechtes Gewissen gewesen und ja, auch Mitleid, das ihn veranlasst hatte, sich um sie zu kümmern. Doch bald schon musste er sich eingestehen, dass es wesentlich mehr war, was ihn zu ihr hinzog. Obwohl er kaum definieren konnte, was mit ihm geschah, wenn er mit Maria zusammen war, merkte er doch, dass sie ihm  guttat, dass er irgendwie sich selbst zum ersten Mal so akzeptieren konnte, wie er war – und das war schon mehr als erstaunlich angesichts der traurigen Grundsituation sowie der Probleme, in denen er steckte. Aber Mark hatte sich, so viel lässt sich ohne Übertreibung sagen, durch das Erlebte verändert. Stark verändert! Und das merkte nicht nur er, das wurde vor allem in seinem beruflichen Umfeld sehr aufmerksam registriert.  Man kannte ihn als einen Schauspieler, der sich stets leidenschaftlich in seine Rollen stürzte, um sich für größere Aufgaben zu empfehlen, und sich in heftigen Ausbrüchen und exaltierten Posen gefiel. Bisher war er aber mit seiner Darstellungskunst auf wenig Gegenliebe bei den Regisseuren gestoßen: zu oberflächlich, zu selbstverliebt, lautete ihr Resümee. Dass er immer noch im Ensemble bleiben durfte, verdankte er vor allem seinem guten Aussehen und seiner witzigen und frechen Art, mit der er vor allem bei der Damenwelt offene Türen einrannte – was er, unter uns gesagt, auch reichlich tat. Sein Ruf, ein Mann zu sein, der nichts anbrennen ließ, war solide erworben. Maria durfte nie davon erfahren!

Als er zum ersten Mal nach dem Unfall auf der Kennedybrücke wieder spielen musste, es war nur eine mittelgroße Rolle, aber er stand fast die ganze Zeit auf der Bühne, geschah etwas sehr Seltsames. Mark war mit seinen Gedanken mehr bei Maria und Goldengelchen als beim Stück – wie sollte er sich da auf diesen lächerlichen Text konzentrieren? Mein Gott, wie belanglos schien ihm der angesichts der furchtbaren Tragödie, die er erlebt hatte. So lieferte er ihn ziemlich teilnahmslos ab, ja, er weigerte sich geradezu, groß zu agieren oder Intensität vorzutäuschen, wie es sonst seine Art war, und sehnte das Ende der Vorstellung herbei. In der Pause merkte er zwar, dass ihn alle irgendwie so merkwürdig ansahen, aber das war ihm gleichgültig. Und als das Stück dann zu Ende war, ging er davon aus, dass dies auch das Ende seiner Schauspielkarriere sei. Jetzt galt es nur noch, den Schlussapplaus hinter sich zu bringen, wenn die Leute pfeifen würden, würde ihn das auch nicht stören. Hauptsache, er konnte rasch zurück zu Maria.

Aber was geschah?

Zuerst verneigte sich das ganze Ensemble. Frenetischer Applaus. Dann mussten sich die Schauspieler einzeln verbeugen, in schnellem Durchlauf, den Anfang machten die kleineren  Rollen. Mark kam als Dritter dran. Für die kleinen Rollen gab es meist nur höflichen Beifall, alles wartete auf die Hauptdarsteller am Schluss. Diesmal aber begann das Publikum bei Mark wie wild zu applaudieren, auch Bravo-Rufe waren zu hören. Mark wäre fast gestolpert, als er wieder von der Bühne rannte, so verblüfft war er. Die beiden Hauptdarsteller zuletzt erhielten lange nicht so viel Applaus wie Mark. Als dann wieder alle zusammen auf die Bühne kamen, begannen erst einige, dann immer mehr Zuschauer zu trampeln und diesmal sah Mark, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren. Er war eigentlich mehr erschrocken als erfreut, konnte sich aber der Magie des Augenblicks ebenso wenig entziehen wie seine Kollegen, die ebenfalls die Welt nicht mehr verstanden.

Das war die Geburtsstunde des Schauspielers Mark Conradi. Mark hatte jetzt endlich den Erfolg, den er sich immer so sehr gewünscht hatte. Und das brachte ganz eigene Probleme mit sich. Plötzlich wollten nämlich alle mit ihm arbeiten und ihn für ihre zukünftigen Projekte buchen. Sogar Leute vom Fernsehen tauchten auf und zeigten Interesse. Und er? Geriet in einen mächtigen Konflikt. Er brauchte seine Zeit doch für Maria. Glücklicherweise wurde im Theater und beim Fernsehen oft lange im Voraus geplant, sodass ihm für die nächsten Monate noch genügend freie Zeit blieb. Andererseits brauchte er dringend mehr Geld, denn Marias finanzielle Situation war nicht nur chaotisch, sondern geradezu desaströs.

Als sich Goldengelchens Todestag zum ersten Mal jährte, erlebte Maria eine Situation, die ihr schlagartig Marks Verhalten an Emilias Bett im Krankenhaus ins Gedächtnis zurückrief. Sie wohnte inzwischen bei ihm in Hietzing und hatte sich ausgerechnet diesen traurigen Tag ausgesucht, um sich  für das nächste Semester zu immatrikulieren. Als Zeichen für sich und Mark, dass sie bereit war, wieder nach vorne zu schauen und ihrer gemeinsamen Zukunft eine Chance zu geben. Sie war schon fast in der Stadt, als ihr einfiel, dass sie ein wichtiges Dokument vergessen hatte. Als sie 20 Minuten später die Wohnung betrat, hörte sie aus dem Schlafzimmer lautes Stöhnen und fand Mark tränenüberströmt im Bett liegend vor, zusammengerollt wie ein kleines Kind, neben ihm auf dem Kopfkissen ihr Lieblingsfoto von ihrem Goldengelchen. Er war so aufgelöst in seinem Schmerz, dass er sie gar nicht kommen hörte. Bestürzt eilte sie zu ihm und rüttelte ihn an der Schulter.

„Mark, Liebling, was hast du? Was ist mit Dir?“ rief sie aufs Äußerste besorgt. Mark richtete sich halb auf, streckte flehend eine Hand nach ihr aus. Ein wildes Schluchzen schüttelte ihn.

Als sie sich neben ihn aufs Bett setzte, lief ihr ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter und plötzlich bekam sie kaum noch Luft. Sie fühlte deutlich, dass da etwas war, von dem sie nichts wusste. Was war das, was ihn mit ihrem Kind verband? Sein Verhalten war doch nicht normal!? Sie konnte es sich nicht erklären, war völlig ratlos. Und auf einmal empfand sie Angst, nur noch Angst.

Mark hielt sie jetzt mit seinen Armen umschlungen, das Gesicht in ihrem Schoß. Er war ganz kurz davor, es ihr zu sagen. Es würde eine ungeheure Erleichterung für ihn sein, sein Geheimnis endlich teilen zu können: mit ihr. Um sich dann nie wieder diese Frage stellen zu müssen, die ihn permanent und bis zum Wahnsinn gequält hatte: Sollte sie es wissen …?

Aber was wäre dann? Sie würde ihn verlassen, da war er sich ganz sicher. Und ohne sie würde er wieder zurückfallen in das bodenlose Loch, aus dem er gekommen war. In seiner Verzweiflung hatte er sich schon oft gewünscht, das Geschehene ungeschehen machen zu können. Aber in seinem tiefsten Inneren wusste er, dass das, selbst wenn man das gekonnt hätte, auch keine Lösung seines Problems gewesen wäre. Denn dann hätte er Maria ja überhaupt nie kennengelernt!

Er sah sich schon wieder haltlos durch sein Leben taumeln wie in der Zeit vor Maria. Langeweile, Frust, Perspektivlosigkeit – ja, so hatte sie ausgesehen, die Vor-Maria-Zeit. Und dazu noch größenwahnsinnig und dauergeil – ein junger Schauspieler eben, der nicht ausgelastet war. Das konnte doch gar nicht gut gehen, oder?

Mit harmlosen Spielchen hatte alles angefangen Ihn interessierte vor allem, wie man Menschen verunsichern und manipulieren konnte. Vielleicht würde ihn das auch künstlerisch weiterbringen, redete er sich ein. Gemeinsam mit seinem Spezi, der auch Schauspieler war an einem Kellertheater, waren es zunächst Blickkontakt-Spielchen gewesen, und sie freuten sich diebisch, wenn Mädchen erröteten, Männer schwul reagierten oder gar aggressiv wurden; oder aber sie standen nur vor dem Stephansdom herum und starrten so lange in die Luft, bis immer mehr Menschen ebenfalls in die Luft starrten und schließlich auf dem Graben alle Hans-guck-in-die-Luft spielten. Manchmal führten sie auch irgendwelchen pantomimischen Blödsinn auf, je verrückter, desto lieber. Obwohl sie als Schauspieler noch ziemlich unbekannt waren, hatten sie doch Angst, von Theatergängern vielleicht erkannt zu werden, und um kein Risiko einzugehen, verkleideten sie sich deshalb und schminkten sich manchmal, wobei auch falsche Bärte, Brillen und Perücken zum Einsatz kamen.

Bis eines Tages die verhängnisvolle Idee geboren wurde, die ihr Meisterstück werden sollte. Sie wollten Menschen, die sich nicht kannten und die einander nichts Böses getan hatten, so manipulieren, dass sie aufeinander losgingen. Ihr erster Versuch in einer Kneipe ging voll daneben. Da sie sich in dem engen Raum nicht rechtzeitig verdünnisieren konnten, bezogen sie selbst eine gehörige Tracht Prügel. Also ein neuer Versuch, der diesmal unter freiem Himmel stattfinden sollte. Da Mark in Hietzing wohnte, kam er beinahe täglich an der Kennedy-Brücke vorbei und wusste also, wann dort am meisten los war.

Sie hatten alles genauestens geplant, ihre kleine Inszenierung vorher sogar auch noch geprobt, sodass sie wussten, was sie zu tun hatten. Zuerst pöbelten sie herum, beschimpften sich und schlugen aufeinander ein. Als einige Männer versuchten, die Streithähne zu trennen, wurden sie ebenfalls beschimpft und angegriffen, sodass sie sich wehren und zurückschlagen mussten. Immer mehr Menschen wurden beschimpft und in die Rauferei hineingezogen, dennoch sah es nach einigen Minuten so aus, als würde die Schlägerei aus sich selbst heraus nicht lebensfähig sein. Erst als eine Horde Fußballfans, einige augenscheinlich schon recht angeheitert und voll unter Strom, sich begeistert in das Geschehen stürzte, ging die Post so richtig ab. Wie wenn Benzin in ein glimmendes Feuer gegossen würde. Als die Schlägerei schließlich über die ganze Brücke wogte, zogen sich Mark und sein Freund auf die gegenüberliegende Seite der Hadikgasse zurück. In einem Hauseingang entledigten sie sich der Utensilien ihrer Maskerade, die sein Freund in einer Plastiktüte verschwinden ließ, dann erfreuten sie sich an dem, was sie angerichtet hatten.

Polizeisirenen waren zu hören. Zeit, den Rückzug anzutreten. Ihr Unternehmen war ein voller Erfolg.

„Komm, lass uns verschwinden“, rief ihm sein Freund zu, während er sich umdrehte, um davonzulaufen.

Mark war auch schon auf dem Sprung. Ein letztes Mal warf er einen Blick zur Brücke hinüber, auf ihr gemeinsames Werk. Dann begann er ebenfalls zu laufen. Aber er lief nicht seinem Freund hinterher, sondern auf die Brücke zurück. Er hatte da für einen kurzen Augenblick ein kleines blondes Mädchen erspäht, in einem roten Mäntelchen an der Hand einer jungen Frau, bevor es unter einem Berg von Menschen begraben wurde. Jetzt beherrschte ihn nur noch ein Gedanke: Er musste helfen. Um Gottes willen …!

Sollte sie es wissen?

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Two buddies: Chris and me

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Two buddies: Chris and me

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Chris hat einen tollen Artikel über Shakespeare geschrieben. Und er ist nicht nur gut in der Theorie, er ist auch einer der besten Shakespeare-Schauspieler, die ich jemals gesehen habe. Ich bin mächtig stolz auf ihn

Shakespeare: Our Contemporary

Not of an age, but for all time…

50 years ago the world celebrated Shakespeare’s 400th birthday. His plays were everywhere, theatres were packed, and Jan Kott’s collection of essays and theatre reviews published under the title, Shakespeare our Contemporary, was all the rage among actors and directors. What a remarkable notion! The four hundred-year-old Bard could finally be viewed in terms of a world we knew and understood! “No more masterpieces!” Antonin Artaud, the father of the Theatre of the Absurd had shouted, and at last the day had come! However, the majority of those who held up Jan Kott’s book as their revolutionary manifesto hadn’t actually read it. They’d simply co-opted the title, granting them license to butcher Shakespeare’s texts as raw material to serve their agit-prop political and anti-literary ends.

The play’s the thing…

Following the devastation World War II had left upon his native Poland, Kott discovered Shakespeare’s “mirror” in the timeless humanity of the theatre. It wasn’t that the works he witnessed had been de-constructed and re-invented, but that these time-honored texts no longer appeared distant or inaccessible in the wake of war. The directors hadn’t found a need to barrage the public with ideological concept, but left Shakespeare’s language and characters speaking explosively for themselves. And this revelation spread across Europe, ushering in a whole new era of Shakespeare production; most notably with Peter Hall’s newly-created Royal Shakespeare Company that grew out of his love of Beckett, Pinter, and the Theatre of the Absurd.

What’s past is prologue…

Shakespeare informs everything we do in the theatre – everything that has come before, as well as after – back as far as Aeschylus, Sophocles, and Euripides. No one speaks Ancient Greek any longer; even the plays at the National Theatre of Greece have been translated into Modern Greek. In English, we have come to know Oedipus, Agamemnon, Electra and Medea through translations heavily influenced by the language of Shakespeare. Though he himself spoke little Latin and less Greek, he is, overwhelmingly, the most produced playwright in the world. His works transcend the boundaries of language and culture.

Like guilty creatures sitting at a play…

Live theatre holds remarkable power. Each member of an audience comes with an individual set of experiences, and it is our job as actors to connect with each and every one of the public individually. There is no fourth wall. That is a myth. The audience knows exactly where they are – they paid far too much for their seats, never mind the cost of dinner, parking, and baby-sitters. Like a football game – taking place solely on the field – spectators are focused on the ball, on the play-by-play, not by what’s happening on the sidelines. What’s more, Shakespeare lets his characters call their own time-outs: the soliloquy. Hamlet steps out of the game to comment on the dramatic action. He does not speak to himself; rather, he speaks directly to the fans, bringing them up to date on the state of play. We call that shared experience – how cool, how powerful, is that! And no playwright gives us such a remarkable skill-set like Shakespeare. Just as these skills will effectively serve the plays of Miller, Albee, O’Neill, and Williams, they certainly enrich those of the ancient Greeks, Moliere, Shaw, Chekhov, Ibsen, Strindberg, and Goethe.

To hold, as ‚twere, the mirror up to nature…

The inherent ambiguity of “Hamlet” is a continual challenge for actors and directors, and no two performances are at all alike. Yes, we may prefer one Willy Loman over another, but Miller’s salesman is always essentially the same. However, an actor with Shakespeare under his belt can bring far more shading and insight to his modern roles through the invaluable experience of standing virtually naked upon an empty stage with only language to clothe his character, the scene. Theatre, like it or not, is primarily a literary medium. And all the dazzling visuals in the world will not color a bloodless performance. Think of the fourth act scene in “King Lear” when Edgar disguised as a madman leads his blinded father, Gloucester, up the hill to the cliffs of Dover. He describes the landscape below in detail and steps back, leaving his father to hurl himself onto the rocks below. Gloucester falls. The audience gasps. And yet, the empty stage is flat. A moment straight out of Beckett. Has he fallen to his death? Not at all. But the spectator is as convinced as the blind old man that he has. And Edgar, in a new accent, gets his father back on his feet.

To stop our way upon this blasted heath…

Inspired by Kott’s essay, “King Lear” or “Endgame,” Peter Brook, perhaps the most celebrated of post-War British directors, writes: “Give me any empty space, and I can make it a bare stage.” His 1962 “Lear” with Paul Scofield at the RSC in London is still the clearest and most vivid production of the play I have ever witnessed, standing in stark contrast to the fustian British productions so common at the time, its bleak theatrical landscape warning the spectators of the nuclear age to come. As devastating, was the 1987 production by the Rustaveli Theatre of Soviet Georgia with Ramaz Chkhikvadze. In the hands of director Robert Sturua, the play became a startling echo of Kott’s writings a quarter of a century before. It leapt off the stage, grabbing spectators by the throat, daring them to avert their eyes. Chkhikvadze was well-known for his Azdak in Brecht’s “Caucasian Chalk Circle” and for “Richard III.” But nothing prepared me for his Lear, as he howled at the storm, and brought the world crashing down around him on the eve of the Soviet Union’s demise.

These our actors, as I foretold you, were all spirits…

The author, the actor, and the audience are the three indispensable elements of the theatre – what 17th playwright Lope de Vega called “two boards, two trestles, and a passion.” A hard pill to swallow, but the actor is not at the center, not the creator in the theatrical chain. That distinction lies solely with the author and with the audience and its imagination. Our sacred responsibility as actors is that of interpreter. We are creative only by default. For no one cares how we feel or whether we are truly moved; only if the audiences itself is moved. That’s what the public paid for; and that is why the author requested their hearing. And, in no playwright is this clearer than in Shakespeare. If we play the messenger well, it is then – and only then – that we can count ourselves creative.

If you speak, you must not show your face…

In Shakespeare, there is no subtext – at least, not in the way we have come to know the term in the modern theatre. Shakespeare never met Sigmund Freud. So, we must take the man at his word. Where David Mamet will use a single four-letter expletive to sum up a character’s frustration, Shakespeare will write as many as forty lines to express it. To be convincingly “in the moment”an actor cannot possibly sustain Mamet’s mono-syllabic outburst for all those lines! The audience would quickly lose interest. Think of it this way: music travels at the speed of light; lyrics, at the speed of sound. Emotion will always reach the audience long before the words. The forty lines collectively stand for the single flash of emotion. Hamlet sees the waiting Ophelia, and he launches into the most famous and controversial soliloquy of all time: To be or not to be… Is he weighing suicide at this crucial moment in the play, when he has already arranged with the players to catch the conscience of the King? Or does he find himself confronted with an innocent Ophelia trapped in the machinations of the King to unmask his madness?

The fiend that lies like truth…

Like the pieces of a jigsaw puzzle, scattered across the floor, in order to see the picture we must assemble all the various pieces into one whole. Shakespeare wants to audience to hear his lyrics, not listen to the accompanying melody. Which is precisely the reason Stephen Sondheim writes un-hummable tunes. A past master of this concept, he wants the listener to hear the intricacies of his words, not comfortably ride the wave of the melody. A difficult concept for a contemporary actor, confused about the nature of Truth. “Theatre is all a bloody lie,” said Olivier, “remarkably like truth.” Exactly right. It is the audience and its collective experience that makes the truth we experience in the theatre; not the actor alone. It is the audience that assembles the pieces of the puzzle. As sex is not a spectator sport, neither is the theatre. Remember: if you show your face, you must not speak.

The rest is silence…

Perhaps I was just lucky. Perhaps it was my background as a musician. But from the outset, I was intrigued by the similarity of Shakespeare and Pinter. As a young director, I spent a year on “Hamlet” and “The Caretaker,” examining how each of those works communicated through its language – one with a plethora of words, the other with the sound of silence. Rhythm and timing were key to both writers, asking that attention must be paid, without ever demanding their audience to do so.

The wheel has come full circle…

Today, fifty years later, we have embarked upon a new millennium, and twenty-first century man finds himself fixated upon the future, insensible to the knowledge of his past. But, lest our currents turn awry, we now need more than ever to re-examine not just who we are, and who we may be – but, most importantly, who we were. Shakespeare our contemporary is there to remind us of what we stand to lose, before we can even dream of what the future may or may not hold. “King Lear”or “Endgame”? That is the question. As actors we need only listen to our hearts…beating as one with the audience…with the author… 2014 Written exclusively for “The Soul of the American Actor.”

The weight of this sad time we must obey;
Speak what we feel, not what we ought to say.
The oldest have borne most: we that are young
Shall never see so much, nor live so long.

 

CHRISTOPHER MARTIN is the founder of Classic Stage Company and the Alliance of Resident Theatres/NY. In his two decades as CSC’s Artistic Director, he mounted nearly 100 productions in rotating rep – including “Faust I and II”, “Peer Gynt,” “Moby Dick,” “The Hollow Crown Trilogy,” Yeats’ “Cuchulain Cycle,” “The Oedipus Cycle” and “The Oresteia,” as well as major works by Chekhov, Ibsen, Strindberg, Moliere, Pinter, and half the plays of Shakespeare – before moving on to direct, design, and compose for State and National Theatres abroad. As an actor he has played Shakespeare’s Richard II, Falstaff, Prospero, Shylock, Antony, Brutus, King John, Duke Vincentio, Pompey, Oberon, Macbeth, Claudius, Polonius, and Hamlet; Melville’s Ishmael and Ahab; Moliere’s Don Juan and Alceste; as well as both Marlowe and Goethe’s Faust. In America, he has taught theatre at NYU, Fordham, and at Berlin’s Ernst Busch Academie in Berlin, and mentored in France under Roger Planchon at the Theatre National Populaire. Director and musical arranger of the 2012 all-star concert of the Benny Andersson, Tim Rice, and Bjorn Ulvaeus “Chess,” he is currently engaged in a pair of novels inspired by his experiences abroad, and teaches Shakespeare and Advanced Text Analysis/The Modern Classics at HB Studio. www.christophermartinshakespeare.com

“Above all, you must remain open and fresh and alive to any new idea.” – Laurence Olivier

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